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Posted on October 29, 2018
Die Antagonie des Verlustes
zu Alexander Karners “schwarze, weiße rosen,- ein ewiges leben als kunstwerk“.
Ist es ein Tabubruch, ist es Sarkasmus, oder ist es einfach nur konsequent? Diese Frage kommt unmittelbar in den Sinn, konfrontiert man sich mit Alexander Karners jüngstem Konzept: “schwarze, weiße rosen,- ein ewiges leben als kunstwerk“. Die Idee dazu scheint zunächst einfach. Menschen verfügen zu ihren Lebzeiten in einem Testament, dass ihre Asche nach ihrem Ableben Teil eines Kunstwerkes wird. Die formale Gestaltung dieses Werkes entsteht aus der Werkgenese des Künstlers. Seit den 2000er Jahren arbeitet Alexander Karner, der bei dem Aktionskünstler Hermann Nitsch und dem Konzeptkünstler Simon Starling studiert hat, mit Paraffinölen und Pigmenten auf Metallblechen. Im Prozess des Aufgießens des Materials entstehen Spuren auf der Metalloberfläche, deren Formen ebenso abstrakt wie konkret sein können. Diese aus der Aktion generierte Methodik der Bildgenese stellt stoffliche Qualitäten stark in den Vordergrund. Die harte Glätte des Metalls mit vielfältigen Lichtreflexen kontrastiert mit der weichen Oberfläche des matten Wachses, die kräftigen Farben der dem Paraffinöl beigemengten Pigmente leuchten vor dem metallischen Grau des Bildträgers. Es ist demnach der Dialog der Gegensätze, der die Bildwirkung bestimmt.
Für das Konzept “schwarze, weiße rosen,- ein ewiges leben als kunstwerk“ wird anstelle des Pigmentes nun die Asche des Verstorbenen verarbeitet. Hinsichtlich der Gestalt des Paraffinauftrages greift Alexander Karner auf eine Werkreihe aus dem Jahr 2003/ 04 zurück. In dieser Phase stand die Rose als assoziative Form des Paraffinauftrages im Zentrum, die in ihrer vitalen Präsenz nun zum grundlegenden Motiv des Konzeptes wird. Asche und Paraffinöle werden nun zu einer Rosenform transformiert, die im Zusammenspiel mit dem Trägermaterial auch Interpretation des Charakters und abstraktes Porträt des Verstorbenen ist. Karner generiert damit ein persönliches, materiales Bild des Verstorbenen mit Anspruch auf Ewigkeit. Denn im Museum verwahrt, wird das Kunstwerk Teil der bewahrenden Fürsorge und des kollektiven Gedächtnisses.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist in der westlichen Ikonografie maßgebliches Motiv der Bildwelt und kreist um die Themen Alter, Totentanz und Sterbekunst. Die Darstellung der Vanitas, der Vergänglichkeit mittels symbolischer Besetzung, das Memento-mori, das Mahnmal, das angesichts der Sterblichkeit zu einem besseren Leben gemahnt und die Vielzahl an kunstvollen Objekten der Sterbekunst, wie geschnitzte Wendeköpfe, deren zwei Gesichtshälften Verfall des Alters und Schönheit der Jugend in sich bergen, sind nur einige Beispiele für den Umgang mit dem Tod seit dem 15. Jahrhundert. Der Totentanz, bei dem der durch ein Skelett dargestellte Tod eine Gruppe zum gemeinsamen Tanze auffordert und so erinnert, dass alle, unabhängig von ihrem Stand sterblich sind, erfährt in der Aufklärung einen deutlichen Zug zur Individualisierung und eine Hinwendung zum Einzelschicksal. Die Darstellung des Todes erzählt damit immer auch von der gesellschaftlichen Verfasstheit einer Epoche.
So ist im 20. Jahrhundert der Totenkopf längst oft gesehenes Symbol der Subkultur und taucht glitzernd auf T- Shirts, Jacken und Schmuckstücken auf. Doch die Strategie der Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit beschränkt sich auf eine rasante Beschleunigung des Lebens und einen ausufernden Jugendkult. Diese Phänomene
reflektieren Künstler wie Joseph Beuys mit seiner Personifizierung des Schamanen oder Andy Warhol mit seinem zum Muster interpretierten Wiederholungen des Totenkopfes.1 In der österreichischen Gegenwartskunst hat die Auseinandersetzung mit dem Tod als Figur des Konterparts von Eros, besonders im Kontext des Wiener Aktionismus und seiner Neuinterpretation Bedeutung und ist getragen von einer umfassenden Gesellschaftskritik.
Auch Alexander Karners Konzept setzt an der gesellschaftlichen Bedeutung von Verlust und Vergänglichkeit ein. Im Ist- Zustand der westlichen Gesellschaft, einer die rationalen Ökonomie propagierenden Konsumwelt, die sich zusehends in einer Konfrontation mit religiösen Fundamentalismus befindet, sieht er die Basis für seinen Ansatz. Die Rolle der Kunst und des Künstlers bildet dabei den Fokus. Die Vorstellung vom Künstler als hochdotierter Star einer elitären Sammlerschicht steht dabei in grassem Kontrast zum Mythos des verarmten Künstlergenies. Beide Denkfiguren der Individualisierung operieren mit der Akzeptanz und der Ablehnung, die mit der Idee von Ewigkeit und Vergehen in einem Atemzug erscheinen. Mit dem Konzept “schwarze, weiße rosen, -ein ewiges leben als kunstwerk“ verkehren sich die Rollen. Der Käufer wird zum Star und das Museum zu seiner Ruhestätte. Die Infragestellungen usueller Wertesysteme ist damit impliziert. Gleichzeitig appelliert Karner aber an die Leerstelle heutiger Sterberituale. Welche Idee haben wir heute zum Totenkult? Die Transformation der Asche zum Stoff aus dem Pigment - und somit Kunst entsteht, ist ebenso als spirituelle und energetische Metamorphose zu sehen in der sich – wie in den traditionellen Vanitasdarstellungen – die klassische Antagonie von Schönheit und Hässlichkeit des Vergänglichen auflöst.
Karner setzt mit dem Konzept “schwarze, weiße rosen,- ein ewiges leben als kunstwerk“ die Genese seines Werkes, das seit 2012 immer mehr ins Konzeptuelle tendiert fort. Wie bei seinem Projekt „partizipation am niedergang der hardcore pornoindustrie“, mit dem er die verschiedenen Aspekte des neuen Phänomens der Amateurpornographie im Internet thematisiert, steht auch nun die Hinterfragung usueller Strukturen im Zentrum des Werkes.
Elisabeth Voggeneder
Dr. Elisabeth Voggeneder, Künstlerische Direktorin des Forum Frohner
1 vgl. Jürgen Schwalm, Ferdinand Ullrich ( Hrsg.) Zum sterben schön? Der Tod in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Reckinghausen 2007.