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Rezension zur Ausstellung “Game Over”, im Museum Schloß Moritzburg Zeitz, Mitteldeutsche Zeitung, 15.07.23


Posted on September 18, 2023


Rezension zur Ausstellung “Game Over”, im Museum Schloß Moritzburg Zeitz, Mitteldeutsche Zeitung, 15.07.23   |  News
Rezension zur Ausstellung "Game Over", im Museum Schloß Moritzburg Zeitz, Mitteldeutsche Zeitung, 15.07.23

Regionen aus Ruinen
statt blühender Landschaften. Das war ein Bild, das sich in den Jahren nach 1990 überall in Ostdeutschland bot, als der nach der deutschen Einheit für die neuen Bundesländer ausgerufene wirtschaftliche Aufschwung ausblieb.
Statt Goldener Zeiten durch- lebte der Osten Jahre der Depres- sion, die die Folge von Betriebsschließungen und hoher Arbeitslosigkeit waren. Andererseits kehrte das Gebiet, das einst die hermetisch abgeriegelte DDR war, zurück in die Welt. „Gewinn und Verlust lagen in jener Zeit nahe beieinander“, sagt Alexander Schellbach. Den aus Blankenburg stammenden Künstler des Jahrgangs 1976 prägten die 1990er Jahre jedenfalls nachhaltig.
Ruinenlandschaften als blühende Landschaften präsentiert der Wahl-Leipziger in der Ausstellung „Game Over“ im Museum Schloss Moritzburg Zeitz. „Blühende Landschaften“ heißt ein zwischen 2009 und 2017 entstandener Zyklus von Zeichnungen, auf denen er Industriebrachen festhält. Auf Streifzügen, die den Künstler unter anderem nach Berlin, Bitterfeld und Calbe führten, hat er verlorene Orte fotografiert und anschließend zeichnerisch umgesetzt – und zwar so fotorealistisch, dass man seine A4-Zeichnungen für Abzüge von Kleinbildfilmen halten könnte. Mit feinstem Strich
Produktionsgebäude in unter- schiedlichen Stadien des Verfalls sind da zu sehen und bisweilen auch allerletzte Spuren menschli- cher Anwesenheit, wie auf dem Blatt „Erinnerungen“, wo sich auf dem Boden zahllose Arbeitshosen und -jacken ausbreiten, deren Faltenwurf die Szene wie ein wellen- bewegtes Gewässer erscheinen lassen und die hier und da eben- falls verstreuten Gummistiefel wie kantige Segelschiffe.
Das alles ist mit so feinem Strich aufs Papier gebracht, dass der Betrachter nicht überrascht ist, wenn er erfährt, dass der Künstler bis zu einer Woche an je- der dieser filigranen Zeichnungen gearbeitet hat. Wie schafft man es beim Zeichnen solch detaillierter Szenen, nicht die Geduld zu verlieren? „Zeichnen ist für mich wie Joggen“, sagt Schellbach. „Man kommt einfach ins Laufen und denkt nicht mehr darüber nach.“
Der Fotorealismus so mancher Arbeit wird aufgebrochen durch fiktive Elemente, die Schellbach in die Stätten des Verfalls einfügt. Das sind vor allem Maschinenteile, die aus den Industrieruinen gleichsam herauszuwachsen scheinen. Wie auf dem Blatt „Bitterfeld“, wo in einer offenen Werkhalle zwei riesige Gebilde aus Metall untergestellt sind, die die Anmutung von außerirdischen Raumfahrzeugen haben.
Zylinder und Zahnräder, Rohre und Flansche führt Schellbach auch in Plastiken zusammen. Fundstücke aus Industrieruinen und vom Schrottplatz hat er abgeformt, diese Formen dann mit Ton ausgefüllt und die so entstandenen Teile zu Fantasie Maschinen zusammengefügt, die Titel wie „Nostalgie“, „Block“ oder „Ersatz“ tragen, aber so, wie sie gestaltet sind, natürlich niemals funktionieren würden.
Anfangs habe er mit dem Gedanken gespielt, diese Skulpturen farbig zu fassen, sagt der Absolvent der Kunsthochschule Halle. Doch dann habe er davon Abstand genommen, da die Plastiken ohne Kolorit wirken, als seien sie als Maschinen und Motoren jahrzehntelang in Gebrauch gewesen.
Viel Kolorit ist hingegen bei je- ner Werkgruppe „You’re the first, the last, my everything“ zu finden, die Schellbach zwischen 2019 und 2021 beschäftigte. Auf Aquarell- Tusche-Zeichnungen zeigt er einen Raum mit wechselnden In- terieurs. Diese bühnenbildartigen Szenen hat der Künstler indes nicht freihändig gemalt, sondern vorher ein Raummodell mit wechselnder Ausstattung als Vorlage für diese Bilder gestaltet.
Kulisse für Paarbeziehungen
Auch das Licht variiert auf diesen Blättern: mal kalt, mal warm und aus unterschiedlichen Richtungen trifft es auf die Örtlichkeit, die hier wie ein Abstellraum, dort wie ein Volkstheater wirkt. Da Schellbach diesen Zyklus als Auseinan- dersetzung mit „problematischen Paarbeziehungen“ betrachtet, ist jedes Blatt nach einem Popsong benannt, in dem es um die Liebe und das damit verbundene Leid geht: von „I used to hate my body, but now I just hate you“ von Fenne Lily bis zu „I just died in your arms tonight“ von Cutting Crew. Gleich ob Industrie-Architektur oder zwischenmenschliche Beziehungen: Die Melancholie des Abschieds zieht sich wie ein roter Fa- den durch Schellbachs Arbeiten.
Spätestens bei dem untergründigen Versuch, das Verhältnis von Paaren zu thematisieren, muss je- doch auffallen, dass der Künstler kaum Figürliches einflicht. „Auf den Arbeiten menschliche Figuren einzufügen, schien mir zu viel. Ich brauche keine Menschen, um Geschichten zu erzählen.“
Und das am liebsten zeichnend und malend auf Papier im Format DIN A4. „Ich mag keine Leinwände und Ölfarben. Ich mag aber Papier, vor allem die Glätte dieses Materials“, so Alexander Schellbach. „Ich brauche die Beschränkung, die Papierblätter bieten. Arbeiten auf Leinwand sind mir zu mächtig.“ Was das im Einzel- nen bedeutet, ist im Museum Schloss Moritzburg zu sehen.
›› Alexander Schellbach: „Game Over – Malerei, Plastik und Zeichnung“: bis zum 26. November im Museum Schloss Moritzburg Zeitz, Di-So 10-16 Uhr