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my new concept, entitled “Pareidolien, Anregungen für die graue Substanz. Fotografie mit den Augen des Malers”


Posted on September 26, 2021


my new concept, entitled “Pareidolien, Anregungen für die graue Substanz. Fotografie mit den Augen des Malers”   |  News
my new concept, entitled "Pareidolien, Anregungen für die graue Substanz. Fotografie mit den Augen des Malers"

Alexander Karner:

Pareidolien, Anregungen für die graue Substanz.
Fotografie mit den Augen des Malers.

Text und Fotos: Alexander Karner, Copyright: Bildrecht Wien






Pareidolie:

Mit offenen Augen durch die Welt streichen und die eigene selektive Wahrnehmung reflektieren.

Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, dass sensible Menschen immer wieder Gesichter und andere Formen der eigenen, verinnerlichten Bildsprache in unregelmäßigen Materialstrukturen des täglichen Lebens, wie beispielsweise in Wolken, Felsen, Mauern oder Holzmaserungen, sehen.
Schon seit Urzeiten war es immer wichtig und notwendig Gesichter schnell zu erkennen, um erstmal als Säugling die Mutter und später Raub- oder Beutetiere oder gar Feinde schnell zu erkennen.
Diese evolutionsbiologisch erlernte, notwendige Abgleichung der Wirklichkeit mit der eigenen subjektiven Ikonographie, nennt die Fachsprache Pareidolie.1)

Noch heute wird jedoch von manchen Menschen, wenn sie unvermutet und zufällig ein Gesicht in einer Struktur erkennen, diesem Erlebnis eine besondere Bedeutung gegeben und manchmal sogar eine magische Kraft assoziiert. Hierdurch wird das nützliche Phänomen der Pareidolie zur pathologisch zu beurteilenden Apophänie.2)3)
Auch die poetisch-irrationale Betitelung4) von Kunstwerken kann zu solch einem magischen Verständnis verführen.


Fragmente:

Auch die persönliche Geschichte und die Menschheitsgeschichte ist zum jeweiligen Zeitpunkt immer nur ein Fragment, - das vom Gehirn lustvoll, also (be)lohnend, weiter gedacht werden will.

Wie schon in früheren Arbeiten ist auch in diesen fotografischen Bildserien das Thema des Fragmentarischen konstitutiv.
Das Gehirn strebt danach, jedes mit den eigenen Sinnesorganen wahrgenommene Fragment zu einem subjektiv, rational verarbeitbaren Gesamtbild zu ergänzen. Eigentlich handelt es sich bei der Fragment-Ergänzung um eine permanente Alltagsanforderung im Temporallappen, wenn man scheinbar selbstverständlich, unvollständig wahrgenommene Personen oder Gegenstände etc. vervollständigt.5) Diese Funktion wird erst zu einer besonderen Leistung, wenn das Wahrgenommene nicht in der eigenen Objekt- und Formensprache sofort eindeutig abgleichbar, verifizierbar und somit benennbar ist.
In diesen großteils unbewussten und automatisierten Prozess, ist auch das körpereigene Belohnungssystem involviert. Es wird der Botenstoff Dopamin generiert und in besonders herausfordernden Fällen werden auch Wohlgefühl erzeugende Endorphine ausgeschüttet.
Fachsprachlich sehr vereinfacht erklärt, ist bei den konzeptuellen Fotografien zum Thema Pareidolie, für das Erkennen des fragmenthaften Sujets, der ventrale Strom, - das ist die sogenannte „Was-Bahn“6) der visuellen Wahrnehmung, gleichzeitig aber auch die Erinnerung im Gedächtnis7) und die daraus resultierende subjektive Erwartung8), zuständig.
Insgesamt arbeiten mehr als 30 Gehirnareale an diesem Prozess9), der meist zu einem subjektiv erklärenden und somit befriedigenden Gesamtbild führt. Die Forschung ist diesbezüglich noch nicht abgeschlossen.10)
Noch komplexer und komplizierter wird die Leistung des ergänzenden und "errechnenden" Erkennens, wenn bei einem fragmentarischen Kunstwerk ein Titel vorgegeben ist, der weder die jeweilige Erwartung des Betrachters erfüllt, noch in Zusammenhang mit dem Gesehenen gebracht werden kann.





Fotografie mit den Augen des Malers

Für den Maler besteht die gesehene Welt aus einer unendlichen Anzahl von mehr oder weniger guten Bildern. Und gute Bilder lohnt es festzuhalten, - gemalt, beschrieben oder eben fotografiert.

Die skizzenhaften Risse, Zeichnungen, die durch Temperaturschwankungen, Wasser und örtliche Materialbelastungen entstanden sind und auch einem steten Wandel unterliegen, wurden von mir bewusst, mit den Augen und Ansprüchen eines Malers, ausgewählt. Auch wenn die Motive willkürlich und zufällig scheinen, die gewählten Bildausschnitte und somit die Bildkompositionen sind es nicht.
Auch die unbearbeitete Authentizität der Sujets, mit allen sichtbaren Details, war mir wichtig. Wobei die Authentizität der digital fotografierten Bilder aufgrund der technisch programmierten und somit teilweise vorgegebenen Rechenprozesse stets diskutierbar wäre.

Diese fragmentarischen Pareidolien, scheinbar gezeichnet durch witterungsbedingte Risse, von denen viele von Arbeitern, als „unkown artists“ und deren unbewusster Gestik mit Bitumen ausgegossen wurden, möchte ich auch als Aneignungen in einem erweiterten Verständnis der Appropriation Art verstehen. Ich habe mir die bewusst apophänisch betitelten Pareidolien von Segmenten der kleinen Landstraßen11) rund um Bad Radkersburg angeeignet, wo ich die Zeit der Pandemie verbracht habe.










1) Pareidolie, aus dem Altgriechischen übersetzt, para, für ‚daneben‘, ‚vorbei‘ und eídolon, ‚Form‘, ‚Erscheinung‘, ‚Trugbild‘, ‚Schattenbild‘, theologisch auch ‚Götzenbild‘

2) „Pareidolien kommen so wie Illusionen hauptsächlich bei Gesunden vor, und werden auch im Rahmen der Psychodiagnostik etwa beim Rorschach-Test genutzt.“ In: Stangl, W., Stichwort Pareidolie, Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik, 2021, http://lexikon.stangl.eu/17295/pareidolie,(2021-08-13)
Anm.: 1970 fand in der Galerie Nächst St. Stephan unter dem Titel „Pareidolien“, die erste Ausstellung mit Arbeiten von Künstlern aus dem Niederösterreichischen Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Klosterneuburg, statt.
3) Apophänie, aus dem Altgriechischen übersetzt, apophaínein, für ‚zeigen‘, ‚erscheinen‘, ,verwirklichen‘ - bezeichnet bei einer Schizophrenie die Erfahrung, scheinbare Muster und Beziehungen in zufälligen, bedeutungslosen Einzelheiten der Umwelt wahrzunehmen. Vgl.: Christian Scharfetter: Allgemeine Psychopathologie. Eine Einführung. 6. Auflage, Georg Thiem, S.206 und S. 257. Der Begriff wurde 1958 von dem Psychiater Klaus Conrad geprägt, der Apophänie als grundloses Sehen von Verbindungen, begleitet von der besonderen Empfindung einer abnormen Bedeutsamkeit, definierte. Vgl.: Klaus Conrad: Die beginnende Schizophrenie. Versuch einer Gestaltanalyse des Wahns, in K.Conrad, W.Scheid, H.J.Weitbrecht,(Hg.), Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1958, S.20- 21, S.46.
4) Anm.: „Apophänische“ bildende Künstler begeben sich durch poetische Titelgebungen ihrer Arbeiten oft auf innere Gratwanderungen zwischen Realität und Phantasie. Der bewusst reflektierende Künstler kreiert durch Assoziationen zu den wahrgenommenen Pareidolien seine eigenen kreativen Welten, ohne dadurch seine persönliche, psychische Integrität und den Realitätssinn zu verlieren.
5) Viele Bereiche des Temporallappens, insbesondere der inferiore temporale Cortex (IT), sind auch für die Erkennung von komplexen nichträumlichen, auditorischen und visuellen Reizen zuständig, wie z. B. dem Erkennen von Körperteilen – insbesondere Gesichtern – und anderer bedeutungsvoller Gegenstände (Feinde, Nahrung, Beute etc). (…) IT-Neurone sind auch wesentlich bei der Erzeugung von visuellen Objektvorstellungen beteiligt. (…) Der IT ist selbst Speicherort des figürlichen und szenischen Gedächtnisses und beherbergt auch Teile des visuellen „Arbeitsgedächtnisses“. Vgl.: Gerhard Roth, Das Gehirn und seine Wirklichkeit, Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen, Suhrkamp, Frankfurt 1996, S.181
6) Leslie G. Ungerleider und Mortimer Mishkin führten diese Unterscheidung zwischen zwei Verarbeitungsbahnen ein. Vom visuellen Cortex gehen demnach also zwei Hauptströme aus, der Ventrale Strom und der Dorsale Strom. Vom Ventralen Strom, der sogenannten "Was-Bahn", werden Signale in den Cortex temporalis inferior (IT) geleitet, wo eine Analyse von Eigenschaften – wie Farbe, Muster und Form – stattfindet. Er versorgt Bereiche, in denen bewusste Wahrnehmung und Handlungsplanung stattfinden, mit Informationen. Der dorsale Strom, die sogenannte "Wo-Bahn", ist für Bewegungswahrnehmung, Orientierung der Objekte im Raum, Auge-Hand-Koordination, Figur-Grund zuständig. Er unterstützt visuell gelenktes Verhalten
In neueren Arbeiten haben Melvyn Goodale und David Milner die Idee der zwei Verarbeitungsströme der visuellen Wahrnehmung übernommen und mit einer These über bewusstes Erleben verknüpft. Laut Goodale und Milner ist die Verarbeitung im ventralen Strom mit bewusster, phänomenaler Wahrnehmung verbunden, während die dorsale Verarbeitung weitgehend unbewusst abläuft. Vgl.: G.Roth, Das Gehirn, S.184-187.

7) Die im sensorischen Gedächt¬nis be¬find¬lichen In¬formationen sind un¬bewusst und mo¬dalitätss¬pezifisch. Visuel¬le In-formationen werden im ikonischen Gedächt¬nis gehalten, auditi¬ve Reize im echoi¬schen Gedächt¬nis. Im sensorischen Gedächt¬nis er¬folgt ei¬ne erste En¬codie¬rung (z. B. Merkmal¬ex¬trakti¬on, Muste¬rerkennung) der Wahrnehmungs¬in¬halte, je-doch noch keine Bewertung und Ver¬knüp¬fung der Reize.
Sensorische In¬formationen, die se¬lektive Auf¬merksamkeit erregen, werden in das Arbeitsgedächtnis transferiert, wo die Decodierung der Reize und ih¬re bewusste Ver¬knüp¬fung mit In¬halten aus dem Lang¬zeit¬gedächt¬nis statt¬fin¬den. Das sensorische Gedächt¬nis stellt die er¬ste Stufe der Reiz¬verarbeitung dar. Vgl.: Jürgen Margraf, Pschyrembel Online Lexikon, Grundlagenfächer der Medizin, 2018, https://www.pschyrembel.de/sensorisches%20Gedächtnis/P05GE/doc/(16.08.2021)

8) weiterführend: Arne Schäffler, Pschyrembel Online Lexikon, Grundlagenfächer der Medizin, https://www.pschyrembel.de/Frontalkortex/P03HH(16.08.2021)

9) Mit Dank an Arvid Leyh (https://www.dasgehirn.info/denken/motivation/bild-das-belohnungssystem)

10) „Es ist eine fundamentale Herausforderung, nicht nur die psychophysischen und physiologischen Korrelate der Wahrnehmung zu bestimmen, sondern auch zwischen neuronalen Prozessen, die sie verursachen, und neuronalen Prozessen, die daraus resultieren, zu unterscheiden. Unsere Forschung kann uns einen Schritt voranbringen, so dass wir besser verstehen, wie das Gehirn die Welt um uns herum darstellt.“ Nikos Logothetis, Max-Plank-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen, https://www.kyb.tuebingen.mpg.de/43647/visual-perception (02.08.2021)

11) Anm.: Auch das Thema Straße in seiner entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung für prähistorische Streifzüge, Machterweiterung, Handel und Kommunikation, aber auch in seiner vielfältigen, auch psychologischen Symbolkraft, hat mein Interesse und somit meine Neuronen angeregt. Abschließend sei noch in apophänischer Weise erwähnt, dass ich das Smartphone, mit dem diese Fotos gemacht wurden, im Dezember 2019 auf einer Nebenstraße Wien`s - beschädigt - gefunden habe.