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Posted on April 18, 2016
Kunstversicherung unter Druck
18.4.2016 – In der Kunstversicherung gibt es vergleichsweise wenig Standards und kaum Transparenz. Versicherungsmakler Dr. Stephan Zilkens gab gestern auf dem von ihm zum fünften Mal veranstalteten Kölner Kunstversicherungs-Gespräch im Rahmen der Art Cologne Schätzungen zum Markt ab. Experten aus verschiedenen Bereichen des Kunstmarktes diskutierten die Praxis der Wertminderung nach einem Schadenfall.
Die Preise für jüngere Kunstwerke (zeitgenössische, moderne und Nachkriegskunst) haben sich seit 1998 um bis zu 180 Prozent verteuert, das Beitragsaufkommen blieb aber in dieser Zeit weitgehend stabil. Dr. Stephan Zilkens, Geschäftsführer der Zilkens GmbH Versicherungsmakler, hält diese Entwicklung auf dem Kunstversicherungs-Markt für recht gefährlich.
Gefahr der Konsolidierung
„Dieser Wettbewerb tut auf Dauer nicht gut“, sagte Zilkens gestern beim fünften Kunstversicherungs-Gespräch im Rahmen der Messe Art Cologne. Im Hinblick auf die hohe Volatilität des Geschäfts beziehungsweise der Schadenentwicklung müssten die Anbieter von Kunstversicherungen diese nach Solvency ll mit vergleichsweise viel Eigenkapital unterlegen.
Er fürchtet daher die Konsolidierung dieses Marktes. Laut Zilkens sind in diesem Markt noch 20 bis 25 Gesellschaften unterwegs.
Seiner Schätzung nach beläuft sich das Prämienvolumen in Deutschland im Zusammenhang mit der Versicherung von Kunstwerken (einschließlich der Teile aus den Sparten Transport-, Hausrat- sowie sonstigen Sachversicherungen) auf rund 130 Millionen Euro.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) schätzt für 2015 nur 58 Millionen Euro; er bezieht sich dabei aber nur auch die Kunst- und Ausstellungsversicherung.
Riesiges Potenzial
Auf Basis der Schätzungen der Kunstwerte weltweit kommt Zilkens auf ein mögliches Beitragspotenzial von 17,335 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 15,36 Milliarden Euro; Stand 15. April 2016). Weltweit sei aber nur ein Zehntel davon versichert. Ein Großteil der Prämien werde in den USA sowie in Großbritannien (wegen Lloyd‘s) geschrieben.
80 Prozent der Prämie stammen seiner Schätzung nach von Galerien, neun Prozent von privaten Sammlern und 7,5 Prozent von Museen.
Die Schadenaufwendungen dürften sich wahrscheinlich auf 50 Prozent belaufen, so Zilkens. 43 Prozent der Schäden entfielen auf Galerien, 32 Prozent auf die privaten Sammler und 25 Prozent auf Museen.
Immer mit Wertminderung
Die größten Risiken seien Diebstahl (30 Prozent) und Beschädigung (20 Prozent). Jeweils 15 Prozent machten Transport, Vandalismus und Feuer-/Wasserschäden aus.
„Es gibt keinen Schaden, bei dem Wertminderung keine Rolle spielt – zumindest solange das Kunstwerk noch vorhanden ist“, so Zilkens.
Da Kunst immer stärker der Geldanlage und der Spekulation dient, rückt die Wertminderung im Schadenfall zunehmend in den Fokus, berichteten verschiedene Teilnehmer der Diskussionsrunde. Da sich auch private Sammler inzwischen professionalisiert hätten, erhielten die Museen keine Leihgaben mehr, wenn sie Wertminderung nicht mitversicherten, wurde berichtet.
Keine Standards
Doch standardisierte Kriterien für Wertminderungen an Kunstwerken nach Schäden beziehungsweise für restaurierte Kunstwerke nach Schäden wünscht sich die Mehrzahl der Kunst-Experten nicht. So hatte Dr. Bodo Sartorius von der Aris Title Insurance Corp. dem Panel die US-Praxis vorgeschlagen, wonach Versicherer das Recht auf die Übernahme des beschädigten Kunstwerkes bei Wertminderungen ab 30 Prozent haben. Dies stieß auf großteils Ablehnung.
„Wir haben wöchentlich mit Wertminderung zu tun. Im allergrößten Teil der Schadenfälle – bei wahrscheinlich 80 bis 90 Prozent – finden wir sehr schnell eine Lösung, und auch im verbleibenden Rest geschieht alles einvernehmlich. In den letzten zehn Jahren hatten wir keinen Fall vor Gericht“, sagte Dirk Heinrich, Managing Director der Axa Art Versicherung AG.
So sehen Vertreter der Museen etwa die kulturelle Aufgabe des Erhaltens und den Leihverkehr in Gefahr. Nach Erfahrung von Peter Meili, Senior Underwriter der Rückversicherungsgruppe XL Catlin, geht es selten um Wertminderung um die 30 Prozent, „dann geht es schon eher um einen Totalschaden.“
Keine Schwacke-Liste
Auch eine „Schwacke-Liste“ oder eine „Gliedertaxe“ zur Standardisierung von Wertminderungen wird abgelehnt – von den Vertretern der Sachverständigen, weil diese um ihre Aufgaben fürchten, und von der Assekuranz, weil Kunst zu individuell sei.
Für die Höhe der Wertminderung spiele beispielsweise nicht nur das Ausmaß, sondern auch die Lage der Beschädigung eine Rolle, so Meili. Es gehe also nicht wie bei der herkömmlichen Gliedertaxe darum, dass der Mittelfinger abgeschnitten worden sei, sondern wem mit welchem Beruf das passiert sei.
Am Rande der Diskussion ging es zudem um Allmählichkeitsschäden, die sich vor allem in der Fotokunst aufgrund der verwendeten Materialien zunehmend bemerkbar machen. Den Wünschen der Kunstkenner hielt Heinrich hier entgegen, dass diese Schäden nicht zu versichern seien. „Das ist wie eine Versicherung gegen das menschliche Altern.“
Monika Lier
http://www.versicherungsjournal.de/versicherungen-und-finanzen/kunstversicherung-unter-druck-125472.php?vc=nl&vk=125472