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The Century Bar (1920-2020) – curated by Kathrin Landa and Alex Tennigkeit


Posted on September 27, 2018

https://ventilator.blog

Event Type:

Exhibition

Location:

Ventilator Berlin, Katzbachtsraße 24, 10965 Berlin

Date: 

September 28, 2018 - October 07, 2018

Time:

Öffnungszeiten / open: 28.-30.09.2018: 14-18 Uhr; 6.& 7.10.: 14-18 Uhr & nach tel. Vereinbarung / by appointment: 0172/ 7467225

The Century Bar (1920-2020) – curated by Kathrin Landa and Alex Tennigkeit   |  Event
The Century Bar (1920-2020) - curated by Kathrin Landa and Alex Tennigkeit

curated by Kathrin Landa and Alex Tennigkeit
Mit Künstlerinnen des MNW und Gästen* / with MNW- members and guests*.
Joannie Baumgärtner*, Fritz Bornstück*, Steffi Dost, Mareike Drobny*, Isabelle Dutoit, Zohar Fraiman, Marie Gold, Franziska Guettler, Nina K. Jurk, Heike Kelter, Michael Kirkham*, Marianna Krueger, Kathrin Landa, Verena Landau, Corinne von Lebusa, Catherine Lorent, Rosa Loy, Florence Obrecht*, Justine Otto, Axel Pahlavi*, Gudrun Petersdorff, Maria Sainz Rueda, Julia Rüther, Ann-Katrin Schaffner, Sophia Schama, Moritz Schleime*, Eva Schwab, Bettina Sellmann, Tanja Selzer, Caro Suerkemper, Alex Tennigkeit, Kathrin Thiele, Miriam Vlaming

Die Ausstellung Die Jahrhundert-Bar (1920-2020) ist eine Hommage an den expressionistischen Film der frühen 1920er Jahre. In einer experimentellen Rauminstallation zeigen Künstlerinnen des MalerinnenNetzWerks Berlin-Leipzig und sieben Gastkünstler*innen ihre Arbeiten.

Den Betrachter erwartet dabei keineswegs ‚nur’ expressionistische Malerei. Vielmehr wird der Expressionismus als Motiv bzw. als atmosphärisches Ausdrucksmittel aufgegriffen, wie dies auch beim expressionistischen Film der Fall war. Überdies werden in den gezeigten Arbeiten heutige Konflikte, wie das Auseinanderdriften der Gesellschaft, der politische Rechtsruck, die immer noch herrschende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, verhandelt.

Eine modulare, speziell für den Ausstellungsraum geschaffene Konstruktion aus spitzen Dreiecken lässt verschachtelte Kabinette und verschiedenartige Durchgänge entstehen und in Anlehnung an damalige Filmkulissen sind fiktive Schatten direkt auf die Wand gemalt. Der in Kooperation mit Joannie Baumgärtner gestaltete Ausstellungsraum wird zur expressionistischen Matrix, welche den etwa 30 monochromen bis schwarz-weissen Arbeiten einen gemeinsamen, architektonisch verdichteten Rahmen gibt.



„Die Nerven der Welt sind krank!“

Um 1920 hatte sich der Expressionismus bereits in Malerei, Literatur und Theater etabliert und sollte nun im jungen Medium Film zu einer neuen Kunstform gedeihen. „Das Filmbild muß Graphik werden“, formulierte einer an dem Film „Das Cabinet des Dr. Caligari“ beteiligten Architekten. So unterstreichen gezeichnete Dekors und Schatten Unwirklichkeit und Horror der Handlung. Diese expressive Formensprache schien zudem gut geeignet, um die nach wie vor präsenten Kriegstraumata zu verarbeiten. Meist spielten düstere Inhalte, wie das wiederkehrende Motiv des Wahnsinns eine zentrale Rolle – besonders deutlich in dem Film „Nerven“ von 1919, in welchem der geisteskranke Roloff verkündet: „Die Nerven der Welt sind krank!“ Der herangezogene Psychiater listet folgende Gründe für die Entstehung von Geisteskrankheiten auf: Die fortschreitende Zivilisation, der Kampf ums Dasein, Angst und Schrecken des Krieges, die Sünden der Eltern.


Dem Filmtheoretiker Siegfried Kracauer zufolge bietet der deutsche Film der zwanziger Jahre insgesamt das Psychogramm einer traumatisierten Gesellschaft, die von Hoffnung und Resignation, Wirklichkeitsflucht und Widerstand zerrissen wurde. Expressionistische Filme zeigen ein „gesellschaftliches Unbehagen“. Immer wieder scheitert das Individuum am Ausbruch aus der Masse. Es werden Ideale beschworen und man versucht, den neuen, modernen Menschen zu schaffen.

In der Blütezeit des expressionistischen Films (ca. 1919-25) stehen die Deutschen im Bann vieler Unsicherheiten wie Hunger, Arbeitslosigkeit, hohe Säuglingssterblichkeit, Hyperinflation, politische Unruhen. Soziale Spannungen werden in der relativ stabilen Weimarer Demokratie jedoch immer mehr von einer wachsenden Unterhaltungsindustrie bemäntelt. Der Film wird zum Massenmedium und deutsche Filme zum Devisenbringer, wobei der deutsche Film wegen seiner ausdrucksstarken Filmarchitekturen internationales Ansehen erringt.

Es ist eine Zeit des Übergangs, vom Kriegstrauma hin zu rasanten Modernisierungen, was vor allem in Städten wie Berlin ein weltstädtisches Lebensgefühl beflügelt. So wird die Großstadt „zum ewigen Sehnsuchtsort hedonistischer Fantasien: Vom Alexanderplatz fährt eine Straßenbahn zur Milchstraße, vor expressionistischen Gemälden fliegt dem Bürger der Hut vom Kopf und in den Nachtklubs gibt man sich sexueller Anarchie und kultivierten Koksneurosen hin.“[1]

Parallelen dieser Zeit der Spannungen und des Aufbruchs zu unserer Gegenwart sind unübersehbar. Die Kunsthistorikerin Ingrid Pfeiffer zieht hierzu diverse Vergleiche:„Es gibt heute wie damals die Wahrnehmung in der Gesellschaft, dass der Fortschritt zwei Seiten hat und nicht jeder davon profitiert. Dass die Maschine den Menschen nicht mehr braucht (…). Damals gab es die Fließbandabfertigung, heute ist es die Digitalisierung.(…) Vergleichbar mit unserer Zeit ist auch das Wegbrechen der gemäßigten Mitte und der Anstieg des Extremismus. (…) Gleichzeitig war die Weimarer Republik auch der Beginn der Moderne, mit sehr vielen fortschrittlichen Ideen (…): die neue Frau, die Debatte um den Abtreibungsparagraphen 218 und den Homosexualitätsparagraphen 175 (…). Rollenbilder wurden über Bord geworfen und es gab zahlreiche neue Berufe für Frauen.“[2]

[1] Rainer Metzger: Berlin in den 1920er Jahren, Taschen-Verlag, 2018

[2] Ingrid Pfeiffer „Glanz und Elend in der Weimarer Republik. Von Otto Dix bis Jeanne Mammen: Das Unbehagen einer Epoche“, in: art Das Kunstmagazin, Januar 2018