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Event Type:
SHOW
Location:
GALERIE TOBIAS NEHRING, Lützner Straße 98 D-04177 Leipzig
Date:
October 14, 2017
Time:
Donnerstag – Samstag 14 – 18 Uhr sowie nach Vereinbarung +49 (0) 177 277 63 57 info@tobiasnaehring.de
DREI FARBEN: WEISS
Images (scroll down):
Thomas Rentmeister, '... bis auf Farbe nichts studiert', 2017
Gregor Hildebrandt, 'The Dutch Wives', 2017
Björn Dahlem, 'Der Goldene Baum', 2010
Drei Farben: Weiß. Drei Künstler: Björn Dahlem, Gregor Hildebrandt und Thomas Rentmeister. Der Grundton der ausgestellten Arbeiten: Weiß. Soweit die augenscheinlichen Parallelen zum titelgebenden Film aus Krzysztof Kieślowskis „Drei Farben“-Trilogie.
Kieślowskis Filmreihe orientiert sich an der Trikolore, den drei Farben der französischen Flagge und setzt Blau, Weiß und Rot mit der Losung der Französischen Revolution, den Grundfesten des aufgeklärten Europas gleich: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit werden zum Leitmotiv der einzelnen Teile und lassen die Leidenschaft des polnischen Regisseurs für die großen Ideale und die tiefen Abgründe des modernen Menschen erkennen, die er ebenso sensibel wie schonungslos in Beziehung stellt. „Drei Farben: Weiß“ erscheint dabei als zynische Ode an die Gleichheit zwischen Nationen, Fremden, Nachbarn und Liebenden – denn gleich sind sie vor allem in ihrem Hang zum Laster. Die Farbe der Reinheit wirkt beschmutzt, doch ihre Symbolkraft wird nicht getrübt: Das Strahlen der Braut, der schneebedeckten Ebene, des zugefrorenen Sees und einer Alabasterbüste begleiten den Protagonisten Karol gleichermaßen durch Glück und Verderben. Auch das Weiß der ausgestellten Arbeiten ist nicht rein und unberührt. Vielmehr lassen die Kunstwerke Geschichten, Theorien und Konzepte hervortreten. Sie werden wie im Film zufällig oder zwangsläufig zu Zeichen, die auf intergalaktische Zusammenhänge, auf Harmonien und Poesie oder eine Hochzeitsnacht verweisen.
Dahlem, Hildebrandt und Rentmeister haben mit Kieślowski vor allem eines gemein: Sie machen große Begriffe – etwa Kosmos, Kultur und Konsum – auf zuweilen humorvolle Weise greifbar und nähern sie unserer Realität an. Ihre Materialien beziehen sie aus dem Alltag: Rohstoffe aus dem Baumarkt, Kassetten und Videotapes oder objets trouvés. So wirft Dahlem einen scheinbar extraterrestrischen Blick auf die Ideenkonstrukte der Menschheit, lässt sie Form annehmen und fängt sie wie kleine Welten auf kometenartigen Sockeln ein. Hildebrandt nimmt Abdrücke unzähliger Tonbänder und überträgt sie mit Filmoplast auf Leinwände. Die Nuancierung lässt Rückstände der Tapes erkennen und die mamorähnlichen Platten schließlich als komprimierte Compilations aus vielen Jahren Musikgeschichte erscheinen. Rentmeister hält eine Bank, die unter der Last seiner Hochzeitsgäste zusammengebrochen ist, in ihrem fragilen Zustand fest. Der Titel „…bis auf Farbe nichts studiert“ nimmt direkten Bezug auf Bertold Brechts Persiflage „Das Lied vom Anstreicher Hitler“. Während jener kurzsichtig seinen Dreck mit weißer Farbe überpinselt, überlagert sich das langfristige Ergebnis – abblätternde Fassaden, unter denen marodes Mauerwerk zum Vorschein kommt – unweigerlich mit dem Anblick der Bank. Wieder kann die Farbe als Zeichen politischer Verhältnisse, als Kommentar zum großen Traum von einem vereinten und geeinten Europa gelesen werden, der ins Schwanken geraten ist.
Die Ausstellung lässt die Nichtfarbe Weiß schließlich wie bei Kieślowski zum Träger unterschiedlichster Bedeutungen, zu einem bunten Anstrich werden.
Lydia Korndörfer, 2017